VSIR-Exkursion zum Stahlwerk ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt


Ein Ziel des Vereins der Schiffsingenieure zu Rostock ist es, seinen Mitgliedern eine breite Palette von interessanten Veranstaltungen zu bieten, die möglichst Weiterbildung, Information und Erlebnis in sich vereinen. Nicht nur Ideen des Vorstandes, sondern auch Vorschläge der Mitglieder sind gefragt.

Solch einem Mitgliedervorschlag folgend, organisierte der Vorstand zum 5.März 2008 eine Exkursion zum Stahlwerk der ArcelorMittal GmbH in Eisenhüttenstadt.
Per neuesten Bus unseres langjährigen Transportpartners Warnow Reisen Rostock ging es zu früher Morgenstunde los, denn rund 400 Kilometer waren es bis zum Zielort in Eisenhüttenstadt.

Dort wurden wir sehr freundlich vom Team Werkschutz empfangen, welches im Stahlwerk für die Besucherführungen zuständig ist. Wie üblich, gab es eine konzentrierte Einführung über die Geschichte des Betriebes seit dem 1. Axthieb am 18.August 1950 zum Baubeginn des Eisenhüttenkombinates Ost am damaligen Ort Fürstenberg/Oder (übrigens einziger Stahlwerksneubau auf "grüner Wiese" in Europa) bis heute, nun bestehend als Teil des derzeit weltgrößten Stahlkonzerns ArcelorMittal.

Das Werk mit seinem metallurgischen Zyklus Roheisenerzeugung, Rohstahlerzeugung, Warmwalzwerk und Kaltwalzwerk mit den entsprechenden Technologien und Techniken ist auf die Herstellung von hochwertigen Flachbandstahlprodukten spezialisiert. Dazu gehören u.a. niedriggekohlte Umformstähle, höherfeste Baustähle und spezielles schweißbares Dynamoband. Beliefert wird vorwiegend der mittel- und osteuropäische Markt. Zu den Abnehmern gehören u.a. große Automobilkonzerne.
Die Werksfläche beträgt mehrere Quadratkilometer, rund 2600 Mitarbeiter (ohne Azubis) sind im Werk beschäftigt.

Die erste Station unserer Betriebsführung war die Roheisenerzeugung am Hochofen 5a. Von der Bühne ließ sich der Abstichvorgang sehr gut beobachten. Rund 5000 Tonnen Roheisen werden hier pro Tag erschmolzen. Von weitem sah der Hochofen mit seinen Anlagen gar nicht so gewaltig aus, von nahem und von innen waren die Dimensionen doch sehr beeindruckend. Dieses Schmelzgut wird dann per Schiene in das Konverterstahlwerk - unserer nächsten Besichtigungsstation - transportiert. Auch hier konnten wir den Produktionsprozeß, u.a. das Gießen der sogenannten Brammen in unterschiedlichen Stahlgüteklassen, anschaulich verfolgen.
Das Stahlwerk arbeitet nicht nur für die Weiterverarbeitung in Eisenhüttenstadt, sondern beliefert auch andere Abnehmer im Firmenverbund. Die erzeugte Jahres-Rohstahlmenge beträgt rund 2,2 Millionen Tonnen.

Nach einem reichhaltigen und schmackhaften Mittagessen in der Werkskantine ging es dann zur 3. Besichtigungsstation, dem Warmwalzwerk. Dank einer effizienten logistischen Anbindung ist es möglich, die gegossenen Stahlbrammen direkt zur Weiterverarbeitung in das Warmwalzwerk zu liefern. So wird bei ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt in weniger als acht Stunden aus Roheisen ein fertiges Warmband-Coil. Im Warmwalzwerk war bei unserem Eintreffen gerade Anlagenstillstand wegen Walzenwechsels. Wir erwarteten eine längere Pause, aber der Wechsel war zu unserem Erstaunen bereits nach a c h t Minuten erledigt! Die angewandte Technologie und die eingesetzte Technik waren beeindruckend. In der 370 m langen Halle sahen wir, wie die glühenden Brammen von rund 250 mm Dicke und bis zu 12 m Länge in kurzer Zeit in zwei Stufen erst in einem Reversierwalzwerk auf 55 bis 22 mm und dann in einer Walzenstrasse auf 13 bis 1,5 mm gewalzt. wurden. Der Walzprozeß lief natürlich mit einem sehr hohen Geräuschpegel ab, die Wärmestrahlung war auch auf der Beobachterbühne deutlich zu spüren. Endprodukt sind Bandkollis mit einem Gewicht von bis zu 34 Tonnen, lagerfertig bebändert und code-beschriftet. Der gesamte Walzprozeß wird von einem zentralen Leitstand aus gesteuert.

Das Herzstück von ArcelorMittal, das Kaltwalzwerk , ein riesiger Hallenkomplex, war die 4. Station unserer Besichtigung. Die (kalten) Bleche aus dem Warmwalzwerk werden hier entweder auf einer Tandemstraße von einer Anfangsdicke zwischen 6 bis 1,5 mm auf eine Enddicke von 3 bis 0,4 mm bei einer Walzgeschwindigkeit bis zu 1500m/min oder auf einer Reversierstraße von 6 bis 1,8 mm auf 3 bis 0,27 mm bei einer Walzgeschwindigkeit bis zu 1000m/min ausgewalzt. Die Einhaltung der Dickentoleranz liegt dabei im Hundertstel-Millimeter-Bereich bei den schon genannten Walzgeschwindigkeiten. Es läßt sich nur erahnen, welche Präzision die Steuer- und Regeleinrichtungen sowie die Walzwerkzeuge haben müssen, um solche Qualitäten der Fertigbleche dauerhaft zu sichern. Zu diesem Produktionsprozeß gehören noch Abbeiz-, Wasch-, Trocknungs- Nachglüh- und Richtstrecken sowie Anlagen zur Beschichtung der Bleche mit Korrosionsschutz- oder Tiefziehölen, mit Zink oder mit Kunststoffen in vielen Farben. Die Besichtigung der Konfektionierung und Verpackung der Bleche war der Abschluß der mehrstündigen Betriebsführung.

Unsere Betreuer, die Herren Gernod Zocher, Klaus Menzel, Werner Tantarn und Konrad Baldszus haben jahrzehntelang in verantwortlichen Positionen im Stahlwerk gearbeitet.
Man merkte ihnen während der Betriebsführung immer wieder an, dass sie "mit dem Herzen" dabei waren. Ihnen war keine Frage zuviel. Es gab viel Gesprächsstoff wie es bei Technikern üblich ist. Für ihr Engagement möchten sich die Teilnehmer der Exkursion und der Vorstand VSIR bei den obengenannten Herren sowie bei der Chefin des Teams Werkschutz recht herzlich bedanken.

Der VSIR bedankt sich auch beim Tourismusverein Oder-Region Eisenhüttenstadt e.V., der für uns diese Werksbesichtigung organisiert hat.
Für die Exkursionsteilnehmer des VSIR war es eine rundum gelungene Veranstaltung.

Helmut Köstler / Detlef Junge

Link zu ArcelorMittal


Dipl.-Ing. Ralf Griffel / webmaster@vsir.de / 28.04.2008